Das Vorhersehbare


Ich könnte mal wieder.

Ganz ruhig. Was siehst du? – meine Cousine, mein alter Kommilitone, ein Surfer oder Skater, Sean Lennon, Hamburg im Wandel, Frühling, Sonne, endlich, ein Typ, der lacht alleine, ein Typ, der niest (alleine), mein Cousin, eine aus dem Osten.
Sie sind es alle nicht. Sehen aber alle immer gleich aus. Es gibt acht, neun Typen Mensch – sind alle gleich. Immer wieder blicke ich in immer wieder gleiche Augen an immer wieder gleichen Menschen.
Der eine spielt Handy, der andere iPad. Einer hört Kopfhörer, der andere hält sein Rad. Manche tun alles auf einmal.
Einige lesen ein Buch (zwischen dreitausend und achttausend Seiten), andere gucken aus dem Fenster. Manche schließen die Augen, und andere schauen ins Leere. Viele tun alles, die meisten tun alles und nichts. Sie warten nur. Auf das Ende. Oder weiß der Teufel. Ich muss umsteigen.

Da steh ich jetzt und warte. Der Typ, der aussieht wie mein Freund, verfolgt mich. Ist das dann noch mein Freund? Könnte ja mit mir reden. Tut er aber nicht. Das muss man sich mal vorstellen.
»Der Hurensohn! Dicker, warum sind wir nicht Tiefstack ausgestiegen? Den hätten wir gekrallt!«
»Bülent hat auch ’n krassen Beat auf seinem Handy.«
»Ja Mann!«
Die, die gut aussieht, sitzt ganz vorne. Die, die nicht ganz so gut aussieht, sitzt neben mir. Wie immer, das schöne Leben sitzt weiter vorne.
»Ich kenn das Dicker.«
Da sitzt ja doch eine in der Nähe, die gut aussieht. Es ist aber nicht Y.T., ich hab es für einen Moment gedacht.

Zwei Prolls, ein Verklemmter. Eine Hausfrau, eine Geile. Die Prolls und die Geile steigen aus. Die Hausfrau und der Verklemmte bleiben übrig. Ist doch immer so. Ich meine, man hätte sich doch nur mal vorstellen müssen, was die Hausfrau und die Prolls, oder der Verklemmte und die Geile hätten machen können. Aber irgendwie geschieht immer das Vorhersehbare. Das schöne Leben sitzt weiter vorne. Und jetzt hab ich auch noch runtergeguckt, als die andere Geile ausgestiegen ist (Autokorrektur, die Autokorrektur wollte mir wirklich runtergefickt anbieten – kann ja eigentlich nicht sein, ist aber so –, ich glaube es nicht).

Die neben mir ist geiler, als ich dachte. Die sitzt nämlich nicht mehr neben mir, die sitzt jetzt vor mir. Ich habe mich nämlich umgesetzt. Vielleicht sitzt das schöne Leben ja doch neben mir, und ich muss nur zugreifen. Schließlich lag ja auch nicht ich in dem Krankenwagen vorhin an der Ecke, sondern das weniger schöne Leben.
O Gott, ich bin sentimental. Ich sagte ja, die Sonne scheint.

Und das schöne Leben hat sogar ein Piercing um.