Hühnerstange auf halb acht


Da sitzt ein Verformter, der ist riesig und hat keine Haare. Kein einziges. Auch keine Augenbrauen. Ist der krank? Mein Gott, ich hoffe, es geht ihm bald wieder besser. Hat auch keine Lippen, so dünn sind die. Sieht aus wie ein Tiger. Er guckt verloren durch die Gegend und hat Angst, die Haltestelle zu verpassen. Er tut mir Leid. Ich würde ihn gerne mitnehmen, aber irgendwann würde er mich auffressen.

Im anderen Abteil sitzt einer, der hat Oberarme wie mein Kopf. Aua, ich spüre quasi, wie der mir eine runterhauen würde. Dann wären nur noch Sterne und Frieden.
»Entschuldigung, kannst du mir bitte eine runterhauen?«
»…«, er ist irritiert.
»Ob du mir eine runterhauen könntest?«
Dann sind nur noch Sterne und Frieden.

Ich muss aussteigen.
Und warte am Bus.
Ich stehe und warte.
Auf mein Leben.
Wie eine Hühnerstange auf halb acht.

Wieder so ein Scheißgedicht von irgend so einem Idioten, den ich mal kannte. Kennt doch jeder. Das muss man sich mal vorstelle. Kann sich kein Mensch vorstellen.

Grau. Es regnet seit zehntausend Jahren. Hauptbahnhof. Eine mit lila Haaren sitzt da. Rote Gummistiefel. Einen Undercut hat heute ja jedes Kind. Sieht aus, als ob sie was im Mund hat. Die ganze Zeit. Streckt die Lippen so ein bisschen nach vorn. Weiß auch nicht, was die hat. Ich langweile mich.

Der Hauch einer Sekunde. Ich steige in die Bahn ein und sehe eine Frau, die ist so schön wie dreitausend Schmetterlinge. Ganz nah bin ich ihr. Für den Hauch einer Sekunde. Berühre sie fast. Dann muss ich weiter, um mich hinzusetzen. Ich sehe sie nicht mehr. Schade.

Ich kann es nicht glauben. Da steht schon wieder einer, den ich kenne. Ich will das nicht. Ich will den nicht. Ich will meine Scheißruhe haben. Ist das denn zuviel verlangt? Ich hasse es, in der Bahn zu quatschen.
»Ja bla.«
»Ja Wetter, ja.«
»Ja bla.«
»Ach die Kinder jaja.«
»Jaja, so schnell, bla.«
»Ja.«
»Ja.«
»…«
»…«, eine Scheiße ist das, ich kann es nicht glauben. Und nein, ich will nicht mit dem nach Hause fahren, ich will nur meine Ruhe. Um Gottes Willen. Ja, der ist mit dem Auto da, ja. Aber ich will Bus fahren. Das kann ich dem ja nie im Leben so sagen. Was für ein armseliges Leben. Jetzt.