Neohitler – jeder muss mal sterben


Neben mir sitzt einer, der ist paranoid. Guckt die ganze Zeit zu mir rüber. Heimlich. Ist aber nicht heimlich. Guck woanders hin, du Wichser, ich habe Besseres zu tun.

O Gott. Vor mir sitzt eine, die ist zehn Meter groß. Guckt sich ein Buch an, da sind nur Kurven und Zacken drin. Diagramme oder so. Mathe. Weiß der Teufel.

Ich fliege über die Billwerder Wiesen. Es ist Sommer. Ich lache. In der Bahn. Wie peinlich.

O Gott ist das peinlich. Ein Typ im peinlichen Anzug mit einer peinlichen Sonnenbrille trinkt aus so einem peinlichen Sturbuckscoffeetogobecher. Hört Weltkrieg 5 oder so. Neohitler und so weiter. Ein Scheiß, kann sich kein Mensch vorstellen. Liest ein Asensi (achthundert Seiten). Ein Buch soll das wohl sein. Ich weiß es nicht. Neoromantism.

Neben mir sitzt eine mit einem Jungshaarschnitt. Macht mich aber trotzdem total an. Ich hoffe, sie merkt nicht, dass ich ihr die ganze Zeit in den Schritt starre. Geile Beine, enge Hose. In Kombination mit dem richtigen Hüftumfang gibt es die perfekten Beine. Sie hat die. So schön. Das macht ihren Jungshaarschnitt wieder wett. Gepunktet ist die außerdem.

Ich glaube, die Mathematikerin ist Ärztin oder so. Sie lernt nur noch Kurven (oder wie heißen denn diese hektischen, grünen Striche auf den Monitoren im Krankenhaus, die den Herzschlag anzeigen?) auswendig. Ich hoffe, sie schnibbelt an meinem Herzen rum, wenn es nicht mehr so will. Sie beruhigt mich irgendwie.
»Jetzt nehme ich das Skalpell und schneide parallel zur Aorta ihr Herz auf.«
»M-hm.«
»So, das sieht schon mal ganz gut aus. Ja, das haben wir gleich. … Jetzt piekst es vielleicht ein bisschen.«
»…«
»Geschafft.«
Mir ihrem Auswendiggelerne. Ich mag sie. Ruhig. Schüchtern. Vornehm. Und riesig. Vielleicht sterbe ich auch an ihrem Messer. Eine schöne Vorstellung.
»… Herr Martens, wir haben es leider nicht ganz geschafft. Herr Jesus wird sie in wenigen Augenblicken empfangen.«, (Name vom Autoren geändert).
»…«

»Verzeihung.«
Was will der denn? Der Weltkrieg 5-Typ will raus. Verzeihung, wie sich das schon anhört! Pisser. Der soll nicht an ihrem Messer sterben.